Statuten 1932 bis 1975
Beim “Service Civil International? Deutscher Zweig? e.V.” handelt es sich juristisch um einen beim zuständigen Amtsgericht in Bonn “eingetragener Verein”.
Nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 9 (1) haben alle Deutschen das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Näheres dazu regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in seinen §§ 21 bis 79. So wird “die Verfassung eines rechtsfähigen Vereins durch die Vereinssatzung bestimmt”, in der neben dem Sinn und Zweck der Vereinigung auch Bestimmungen über die Rechte der Mitglieder, über den Vorstands etc. enthalten sein müssen.
In dieser Materialsammlung wurden alle für Deutschland maßgeblichen Statuten beziehungsweise Satzungen des SCI von 1920 bis 1975 zusammengetragen, so weit wir noch in deren Besitz sind. Die ältesten uns vorliegenden Statuten, die leider nicht datiert sind, stammen nach derzeitigem Wissensstand vom Ende der 1920er-Jahre. Es kann nicht mehr geklärt werden, ob es zuvor bereits solche gab. Zu bedenken ist jedoch, daß 1920 nicht zuerst eine Organisation gegründet wurde, die dann ihre Arbeit aufnahm, sondern daß man sich spontan zu “Diensten” traf und sich aus diesen erst die Organisation der “Internationalen Zivildienst-Vereinigung” ( Z.D.V.) entwickelte. Die Teilnehmer der ersten Dienste waren sich zwar sicherlich in den Grundideen einig, dennoch dürfte es unter ihnen auch unterschiedliche Motive gegeben haben.
Man kann deshalb wohl davon ausgehen, daß es in jener Kerngruppe, welche die Dienste organisierte und trug, bei der Abfassung der ersten Statuten Diskussionen über den “Sinn und Zweck” der Z.D.V. gegeben haben dürfte. Die älteste erhaltene Fassung der Statuten zeigt , daß die Z.D.V. seinerzeit noch kein “Verein” im heutigen Sinne war. Angesichts der ansonsten sehr präzisen und kurz gefaßten Angaben fällt allerdings die deutliche Zweiteilung in “Zweck der Vereinigung” und “Sinn und Zweck des Zivildienstes” auf. Gab es diesbezüglich unterschiedliche Gewichtungen ?
Im Dezember 1932 wird in einem Bericht des Organs der Internationale der Kriegsdienstgegner “Die Friedensfront” über einen Vortrag von Pierre Ceresole und die anschließende Gründung “einer deutschen Zweigstelle der Internationalen Zivildienstvereinigung” am 16. November 1932 in Berlin berichtet. Beigefügt sind die Internationalen Statuten der Z.D.V. und dazu heißt es erläuternd : “die deutsche Zweigstelle ist nicht an den Wortlaut oder jede Bestimmung dieser Statuten gebunden, wohl aber an deren allgemeinen Geist”. Angesichts der Machtübernahme der Nationalsozialisten im März 1933 dürfte es damals jedoch nicht mehr zur Entwicklung eines deutschen Zweiges gekommen sein.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auf der Gründungsversammlung des deutschen Zweiges am 27. Oktober 1946 in Hannover eine erste “deutsche” Satzung beschlossen. Ihr lag ein Entwurf zugrunde, der auf der 1946 gültigen Fassung der internationalen Statuten beruhte. Da man auf der Gründungsversammlung verständlicherweise keine Zeit hatte, diese ersten deutschen Statuten ausführlich zu diskutieren, wurden sie auch nur als “provisorische” Statuten bezeichnet und der Arbeitsausschuß erhielt den Auftrag, zur nächsten Jahresversammlung einen überarbeiteten Entwurf vorzulegen. Ein solcher, den deutschen Verhältnissen angepaßter Entwurf, wurde dann ein Jahr später auf der Jahresversammlung 1947 beschlossen.
Vielleicht sollte an dieser Stelle kurz auf die unterschiedlich Definition der Begriffe “Statuten” beziehungsweise “Satzung” hingewiesen werden : Status kommt natürlich aus dem lateinischen von fest, bestimmt, festgesetzt. Im anglo-amerikanischen Recht wird zwischen dem “Common Law” und dem “Statute Law” unterschieden. Das Common Law ist das gewachsene, also ein Gewohnheitsrecht, welches seit undenklichen Zeiten durch Gerichtsurteile gewachsen ist. Im Gegensatz dazu ist das Statute Law ein festgesetztes Recht, also ein geschriebenes und damit auch veränderbares Recht. In Deutschland war das Gewohnheitsrecht zwar einst eine wesentliche Grundlage bei der Erarbeitung des 1896 erlassenen Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), seit dem gilt bei uns jedoch ausschließlich das schriftlich gesetzte Recht.
Für deutsche Organisationen spielt die Anerkennung ihrer Gemeinnützigkeit eine wesentliche Rolle. Die dafür zuständigen Finanzämter verlangen dazu die Aufnahme entsprechender Texte in die Satzung. Nur haben die Finanzämter bedauerlicher Weise in den vergangenen sechzig Jahren ständig ihre entsprechenden Forderungen verändert und damit zeitweise jährliche Änderungen aller deutschen Vereinssatzungen provoziert. So auch beim SCI.
Ein Vergleich der einzelnen Satzungen untereinander [siehe Anhang unten] zeigt sehr deutlich, daß die immer wieder erfolgten Satzungsänderungen insbesondere durch die Finanzämter veranlaßt wurden. Wenn man aufgrund solcher zwingender Forderungen um Satzungsänderungen nicht herum kam, wurde manchmal die Gelegenheit genutzt, die eine oder andere Kleinigkeit gleich mit zu ändern. So kam 1954 zum Beispiel die Einfügung einer Ehrenmitgliedschaft dazu. Eine grundlegende Überarbeitung, die über zwei Jahre hinweg in einem größeren Kreis interessierter Mitglieder intensiv diskutiert worden war, wurde 1962 beschlossen. Auch sie bezog sich jedoch genau genommen nur auf organisatorische Dinge. Während es in der Nachkriegszeit galt, die Ärmel aufzukrempeln, bekam nun das Wort wieder größere Bedeutung und man meinte, alle nur irgendwie in Betracht kommenden Fälle in der Satzung regeln zu müssen. Obwohl man dieser Versuchung erlag ? die Satzung wurde “perfektioniert” ? gab es im Abschnitt II “Zweck und Ziele” keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen.
Das Ergebnis dieser Zusammenstellung zeigt, daß die in den Statuten aus den 1920er-Jahren festgelegten “Ziele und Zwecke” des SCI bis zum Jahr 1969, also über einen Zeitraum von gut vierzig Jahren, so gut wie unverändert blieben !
Dies änderte sich erst, als die sogenannte APO-Generation der 68er-Jahre im deutschen Zweig die Mehrheit im Vorstand übernahm und auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im Oktober 1969 eine völlig neue Satzung beschlossen wurde. Deren Kürze zeigt allerdings auch, daß die bis dahin gültigen “juristisch perfekten” Bestimmungen nicht nur die Mitglieder offensichtlich überforderten, sondern juristisch auch gar nicht erforderlich waren. Auf Sinn und Zweck der 1969 vorgenommenen Änderungen soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.
Sechs Jahre später, im November 1975, wurde insbesondere der § 2 “Zweck und Ziele” erneut geändert. Die im Vergleich nebeneinander gestellten drei Fassungen der Satzungen von 1968, von 1969 und 1975 machen deutlich, was jeweils geändert wurde.
Flensburg, im Oktober 2006
Bertram Schröter