Archives of Service Civil International – Der SCI in Deutschland 1945 – 1951

Der SCI in Deutschland 1945 – 1951

 

Bei der Einrichtung des Internationalen SCI-Archivs in La Chaux-de-Fonds stellte sich heraus, daß es aus den ersten Jahren der SCI-Arbeit in Deutschland nur relativ wenige Unterlagen gab. Um diesem Mangel abzuhelfen und eine Grundlage für eine geschichtliche Aufarbeitung dieser Zeit zu erhalten, wurde diese Materialsammlung angelegt. Sie umfaßt jedoch nur einen kleinen Teilabschnitt der Geschichte des deutschen Zweiges : die unmittelbare Nachkriegszeit der Jahre von 1945 bis 1951 oder – um die Zahlen für Eingeweihte mit Inhalt zu füllen – den Zeitabschnitt von Friedland bis Donaueschingen. Wegen seines Umfanges ist das Material in sechs Jahresbände unterteilt.

Die Zeit davor, also zwischen den beiden Weltkriegen, stellt wegen der Unterbrechung durch den Nationalsozialismus ein eigenes, in sich abgeschlossenes Kapitel dar. Am ersten Dienst 1920 in Esnes bei Verdun haben bereits deutsche Freiwillige teilgenommen. Gleiches gilt auch für die weiteren SCI- Dienste der 20er und 30er Jahre in der Schweiz, in Frankreich und in Großbritannien. In Deutschland selbst fanden seinerzeit jedoch keine Dienste statt, welche von dem in La Chaux-de-Fonds ansässigen (internationalen) Komitee des SCI organisiert wurden. Es gab jedoch einige von deutscher Seite durchgeführte “Internationale Hilfsdienste”, deren Organisatoren dem Umfeld des SCI zugerechnet werden können. Denn diese gehören zu jenem Kreis, der im November 1932 im Beisein von Pierre Ceresole “eine deutsche Zweigstelle der Internationalen Hilfsdienstvereinigung” gründeten, deren Satzung identisch mit den damaligen SCI-Statuten ist.

Nach dem Kriegsende 1945 herrschte in Deutschland Chaos : Weite Gebiete im Osten wurden abgetrennt, das Saarland verselbständigt und der Rest in Besatzungszonen aufgeteilt, die von den jeweiligen Mächten unterschiedlich behandelt und verwaltet wurden. Doch es gab auch andere Kräfte, wie die Zweige des SCI, die in Deutschland tätig wurden :

  • Der britische Zweig “International Voluntary Service for Peace” (IVSP) schickte im Juli 1945 das erste von vier Relief Teams in die britische Besatzungszone – einschließlich Berlin – die dort bis 1948 im Einsatz waren.
  • Die “Schweizerische Vereinigung für Internationalen Zivildienst” begann im Dezember 1945 mit finanzieller Unterstützung der “Schweizer Spende für die Kriegsgeschädigten” (Don Suisse) einen mehrjährigen Einsatz im Saarland.
  • Der Schweizer Zweig organisierte im Februar 1947 mit Unterstützung des französischen Zweiges ein erstes Workcamp in der französischen Besatzungszone.
  • Die übrigen SCI-Zweige und vor allem auch mit dem SCI befreundete Organisationen aus Skandinavien, Großbritannien und den USA sandten Freiwillige in Dienste in Deutschland und schufen durch erhebliche Geld- und Sachspenden überhaupt erst die materiellen Voraussetzungen für die Durchführung von Workcamps in Deutschland.

Bereits im Oktober 1946 wurde in Hannover mit kräftiger Unterstützung durch den IVSP der “Internationale Freiwillige Dienst für den Frieden” (IFDF) als deutscher Zweig des SCI gegründet. Ab Sommer 1947 führte der IFDF erste eigene Dienste durch und auf der Mitgliederversammlung im Herbst 1947 glich man den Vereinsnamen der internationalen Bezeichnung an : “Internationaler Zivildienst” (IZD).

Die Währungsreform im Juni 1948 veränderte schlagartig die Verhältnisse in Westdeutschland. Die Mangelwirtschaft wurde durch das aufkommende “Wirtschaftswunder” abgelöst. Für den IZD hatte dies erhebliche Folgen, denn nach dem Währungsschnitt besaß der deutsche Zweig keinerlei Geld mehr. Jeder Einwohner hatte nur 40 neue DM erhalten und Beiträge oder Spenden waren so gut wie nicht mehr zu erhalten. Als sich diese Situation nach ein, zwei Jahren wieder normalisierte, ging mit dem Wirtschaftswunder auch die unmittelbare Notsituation zu Ende, in der die Hilfe des IZD überall sinnvoll und erwünscht war. Es gab plötzlich Schwierigkeiten, geeignete Projekte für Workcamps zu finden.

Das, was man als “Nachkriegszeit” bezeichnen kann, endete etwa 1950. Aus den Unterlagen der Jahre 1950 und 1951 ist bereits ersichtlich, daß zu dieser Zeit selbst beim Zivildienst so etwas wie “geordnete” Verhältnisse herrschten. In den folgenden Jahren, den 50ern und 60ern, bestand die Mehrzahl der Dienste entweder aus Hilfsarbeiten beim Wohnungsbau oder aus sogenannten “Finanzierungsdiensten”, bei denen zu Gunsten der Arbeit in Entwicklungsländern ein – meist nur relativ geringer – Überschuß erwirtschaftet wurde. Die Dienste jener Jahre waren wenig befriedigend. Von einiger Bedeutung waren in dieser Zeit jedoch die Auswirkungen der zunehmenden Ost-West-Spannungen auf die Arbeit des deutschen Zweiges :

  • Die Pläne zu einer deutschen Wiederbewaffnung erforderten eine intensive Beschäftigung mit und Vorschläge zur gesetzlichen Regelung des Rechtes auf Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen.
  • Für den IZD ergab sich die Möglichkeit als Trägerorganisation selbst Ersatzdienste durchzuführen. Die angestrebten Dienste in der DDR, die nur unter Beteiligung der FDJ möglich waren, forderten den Widerspruch jener Bonner Regierungsstellen heraus, auf deren Wohlwollen man im Interesse anderer Projekte angewiesen war.

Parallel zur Entwicklung der “Außerparlamentarischen Opposition” (APO) übernahm in der zweiten Hälfte der 60er Jahre auch im IZD zunehmend eine jüngere Nachkriegsgeneration die Arbeit. Sie stellte 1968 die bestehende Arbeitsweise in Frage : die unbefriedigenden Dienste innerhalb der Bundesrepublik, die Arbeit in Katastrophenfällen und in Entwicklungsländern, die zunehmend durch professionelle Organisationen besser geleistet wurde und nicht zuletzt auch die im Westen bestehenden Vorbehalte gegenüber dem Osten. Ihre Schlußfolgerung war, daß Friede nur durch gerechtere soziale Zustände zu schaffen sei und ein Aufbrechen der verhärteten gesellschaftlichen Strukturen erfordere. Dem entsprechend sei auch internationale Arbeit nur an sozialen Projekten sinnvoll. Und da manuelle Arbeit in den heute meist hochindustrialisierten Ländern nur noch bedingt Hilfe bringen könne, müsse die theoretische Arbeit intensiviert werden. Als Konsequenz daraus wurde die bis dahin vom IZD gepflegte politische Neutralität aufgegeben.

Diese Materialsammlung enthält unbesehen alles, was heute, rund fünfzig Jahre später, an Unterlagen aus jenen Jahren noch aufzufinden war. Es bleibt dem Nutzer dieser Sammlung überlassen, zwischen Überflüssigem und Wichtigem zu unterscheiden. Alle Abschriften und Kopien stimmen exakt mit den Originalen überein, die sich entweder im Internationalen SCI-Archiv, in anderen Archiven oder in Privatbesitz befinden. Alle eingefügten Erläuterungen sind durch kursive Schrift kenntlich gemacht.

A l l e Vorgänge sind a u s s c h l i e ß l i c h nach ihrem jeweiligen D a t u m eingeordnet. Dies erschwert zwar ein wenig den Überblick über regional unterschiedliche Entwicklungen, jede Region erhielt jedoch zur Erleichterung eine Farbe. Diese Farbe findet sich – soweit eine regionale Zuordnung eines Schreibens möglich ist – sowohl bei dessen Ordnungszahl als auch im Inhaltsverzeichnis wieder. Die Unterlagen werden durch einige wenige Berichte von Zeitzeugen ergänzt, die zum Teil erst viele Jahre nach den Ereignissen aufgeschrieben wurden. Bei diesen sind folglich durch den Zeitablauf bedingte Verklärungen nicht ganz auszuschließen.

Flensburg, im Februar 2004

Bertram Schröter